Ich sehne mich nach dir. Die tiefste Sehnsucht meiner Seele ist es, an diesen Ort zu ziehen. Ich brauche mehr. Wirklich? Leider weiß ich jetzt mit 42 Jahren, dass das mit der Sehnsucht nicht immer so einfach ist.
Folge der Sehnsucht deiner Seele habe ich in einem Blogartikel empfohlen. Ich habe diesen Text in einer Zeit geschrieben, in der ich mir eine große Freiheit gegeben habe, meiner Sehnsucht zu folgen.
Sehnsucht Nummer Eins war damals gewesen: Ich bin fertig mit Europa. Ich brauche etwas Anderes.
So eine krasse, große Sehnsucht. Verrückt: Fertig mit Europa? Mein Verstand hätte sofort rebellieren können: Fertig mit Europa? Hast du denn schon Alles gesehen in Europa? Es gibt so viele spannende Sprachen und Kulturen in Europa! Nein, mein Bauchgefühl, meine Intuition waren am Ende meines langen Studiums in Leipzig glasklar.
Die Sehnsucht sagte, leise, radikal, klar: Du bist fertig mit Europa.
Ich hatte den Mut, die Unterstützug und das finanzielle Glück, dieser Sehnsucht folgen zu können. Ich weiß jetzt, wie unglaublich privilegiert mich das macht, aus einem Gefühl heraus, aus einer Sehnsucht heraus das Land wechseln zu können.
Mittlerweile kenne ich auch die Schattenseiten dieser Entscheidung. Ich weiß, was die Entscheidung meine Familie gekostet hat.
Ich könnte es als Scheitern verstehen, dass wir wieder gekommen sind nach Deutschland. Könnte ich.
Aber ich denke: Ich hatte eine klare Sehnsucht. Die Sehnsucht sagte: Raus aus Europa. Ich bin ihr bis nach Zentralamerika gefolgt.
Über die Jahre und mehrere Aufenthalte habe ich in Costa Rica noch mehr Spanisch gelernt und mein drittes Kind dort geboren. Ich habe ihr das große Geschenk gemacht, durch ihre Geburt nicht nur den deutschen Pass zu haben, sondern auch den costa-ricanischen Pass. Wir haben mittlerweile alle die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Wir haben ein kleines Stück Land gekauft, noch ohne Haus.
Alles fing an mit meiner Sehnsucht. Jetzt könnte ich spirituellen Bullsh*t schreiben, wie: ich bin meiner Seelenreise gefolgt und Alles hat sich in Wohlgefallen aufgelöst. Is aba nicht so.
Die Entscheidung hat uns viel gekostet. Mehrere Probleme, die wir in Costa Rica hatten, haben schließlich dazu geführt, dass wir beim dritten Aufenthalt in Costa Rica nach 1 1/2 Jahren wieder nach Deutschland gegangen sind.
Bereue ich die Zeit? Nein, absolut nicht. Ich habe Frieden gefunden mit den Schattenseiten der Zeit. Und ich weiß: Wäre ich nicht meiner Sehnsucht gefolgt, würde ich jetzt mit dem Kopf in einem nicht gelebten Traum feststecken, in einem Visionsstau.
Ich hatte eine Vision, ich bin ihr gefolgt. Das Ende ist (noch?) nicht, dass wir in Costa Rica fest wohnen. Aber wow, was haben wir Alles gesehen, erfahren, erlebt, durchlebt.
Ich würde der Sehnsucht wieder und wieder folgen. Weil ich denke, dass es eine Intuition in mir gibt, etwas Tieferes als die Logik, etwas Älteres als das Herz. Die Sehnsucht weiß etwas, was ich noch nicht verstehe, was ich noch nicht sehen kann.
Die Sehnsucht meldet sich zur Zeit schon wieder. Die Sehnsucht ist noch leise, sie ist aber unlogisch und ich bin verwirrt.
Vielleicht bin ich auch vorsichtiger geworden mit den Jahren. Ich habe jetzt gelernt, was es mich und meine Familie kosten kann, wenn ich meiner wilden Sehnsucht folge. Jetzt, in meinen 40ern bin ich nicht mehr ganz so schnell, wild und ungestüm im Folgen meiner Sehnsucht, vor Allem, wenn sie erstmal keinen Sinn macht.
Ich frage meine Sehnsucht: Echt? Meinst du wirklich? Sagst du das nur, weil dir wieder langweilig wird? Ganz unromantisch weiß ich mittlerweile, dass ich als Frau mit ADHS und als Scanner-Persönlichkeit Langeweile überhaupt nicht ausstehen kann und ich den nächsten Kick brauche.
Da ist eine Abenteuerin in mir, die will mehr, Neues entdecken, neue Länder, Menschen, Ideen entdecken. Ich bin vorsichtiger geworden, frage mehr nach, wenn die Sehnsucht anklopft. Macht auch Sinn. Ich bin mittlerweile nicht mehr nur für mich, sondern auch für eine fünf-köpfige Familie verantwortlich.
Aber auch als Dreifachmama bringe ich meine Sehnsucht nicht zum Schweigen. Nur weil ich Mutter bin, bin ich noch lange kein seelenloser Roboter. Im Gegenteil, meine Kinder brauchen mich lebendig und als Inspiration.
Außerdem ist da eine Angst in mir. Wenn ich immer wieder meine innere Stimme ignoriere, ihr immer wieder sage und zeige, dass sie nicht wichtig ist, ich habe Angst, dass die Sehnsucht irgendwann verstummt. Deswegen versuche ich ihr zu folgen, nur langsamer, mit mehr Erfahrung und mehr Fragen im Herzen.
Wenn die Sehnsucht jetzt kommt, höre ich sie immer noch in ihrer klaren Stimme: Eva. dort lang. Da geht es weiter. Ich stelle die Sehnsucht jedoch in Frage: Ich will dich immer noch hören, liebe Sehnsucht, aber bist du sicher? Warum? Lass uns einen Schritt langsamer rennen als früher. Lass uns erstmal einen kleinen Spaziergang in das neue Land machen.
Die Sehnsucht nickt. Und ist geduldig mit mir. Weil sie weiß, sie ist stärker als ich.